Erinnerungen eines Metallarbeiters und Betriebsrates
„Warum werden Erinnerungen nur von berühmten Menschen geschrieben? Weil sie besonders Interessantes zu berichten haben? Oder weil ihr Name Neugierde erweckt? Warum schreibe ich? Ich bin kein Berühmter, kein Schauspieler, kein Politiker“, fragte sich Walter Stern und begann bereits in hohem Alter mit schier unglaublichem Elan und mit der Akribie eines Werkzeugmachers mit seinen biografischen Aufzeichnungen. Unterstützung dabei bekam er vom IHSF (vormals Institut für Gewerkschafts- und AK-Geschichte).
Vor wenigen Tagen ist Walter Stern uns gegangen – hier eine Erinnerung:
Geschichtsschreibung mit der Akribie eines Werkzeugmachers
Geboren 1924, als Kind jüdischer Eltern verbrachte Walter Stern seine Kindheit und Jugend im „Roten Wien“. In den 1930er Jahren, sein Interesse gilt mehr dem Fußball als der Politik, machte er als Jude erste Erfahrungen mit dem stark zunehmenden Antisemitismus, vor dem er im August 1939 nach Palästina flüchtete. Walter Sterns Eltern wurden vom NS-Regime ermordet.
1945 arbeitete er bei der Suche nach Nazi-Kriegsverbrechern mit, 1947 schloss er sich der KPÖ an und begann in Wien in einem Elektro- und Metallunternehmen zu arbeiten. Er engagierte sich als Betriebsrat, wurde bald Betriebsratsvorsitzender. Nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968 trat Walter Stern aus der KPÖ aus, sein politisches Engagement endete damit jedoch nicht: Stern gehört zu den Gründungsmitgliedern der Gewerkschaftlichen Einheit (GE).
Walter Stern war ein kritischer Mensch und Gewerkschafter, ein belesener Arbeiter und unermüdlicherer Briefeschreiber. Er trat bis zuletzt als Zeuge und Mahner gegen Antisemitismus und Faschismus auf und rührte mit seinen Erzählungen die ZuhörerInnen immer wieder zu Tränen. Seine Überzeugungskraft, seine Courage, aber auch sein Humor – wie oft brachte er uns doch mit seinen Anekdoten auch zum Lachen – machen ihn unvergesslich.
Das Team des Geschichtsinstituts
Hier zum Buch: Walter Stern: Das Überleben hat sich gelohnt
Hier geht es zum Beitrag: Walter Stern – Das Überleben hat gelohnt (der in der Zeitschrift „Zwischenwelt“ erschienen ist: Artikel Zwischenwelt
Walter Stern bei einem Zeitzeugengespräch im ehem. Anna-Boschek-Heim (AK Wien, Plößlgasse). Er blättert in den mitgebrachten Betriebsratsprotokollen, die ein beredtes Zeugnis seiner langjährigen Tätigkeit als Betriebsrat und Betriebsratsvorsitzender ablegen.