Am heutigen Standort der Arbeiterkammer Wien in der Prinz-Eugen-Straße 20-22 befand sich bis 1954 das Palais der Bankiersfamilie Rothschild. Ab Sommer 1938 diente es bis 1943 als Sitz jener Behörde, die unter der Leitung von Adolf Eichmann zuerst die Vertreibung und Beraubung, später die Deportation der jüdischen Bevölkerung Österreichs organisierte: Der Zentralstelle für jüdische Auswanderung.
Am heutigen Standort der Arbeiterkammer Wien in der Prinz-Eugen-Straße 20-22 befand sich bis 1954 das Palais der Bankiersfamilie Rothschild. Ab Sommer 1938 diente es bis 1943 als Sitz jener Behörde, die unter der Leitung von Adolf Eichmann zuerst die Vertreibung und Beraubung, später die Deportation der jüdischen Bevölkerung Österreichs organisierte: Der Zentralstelle für jüdische Auswanderung.
Das Palais Rothschild wurde unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs 1938 von NS-Behörden beschlagnahmt. Es gelang schließlich einem kleinen Beamten des Sicherheitsdienstes (SD), die prominente Liegenschaft für eine Behörde neuen Typs zu reklamieren: für die von ihm gegründete Zentralstelle für jüdische Auswanderung. Obwohl es sich bei der Zentralstelle nicht um eine staatliche Stelle handelte, vereinigte sie verschiedene Ämter unter ihrem Dach und handelte faktisch hoheitsrechtlich. Das Ziel hinter der Gründung der Zentralstelle war zunächst die Koordination und Durchführung der möglichst raschen Vertreibung der einheimischen jüdischen Bevölkerung, der dabei systematisch der Großteil ihres Vermögens abgepresst werden sollte. Die Wiener Zentralstelle erfüllte in den ersten Monaten ihres Bestehens sowohl die Vertreibungs- als auch die Beraubungsaufgabe so effizient, dass sie zum Modell wurde: Nach ihrem Vorbild wurden ähnliche Einrichtungen im Deutschen Reich und in anderen Staaten des besetzten Europas gegründet und betrieben. Nach Kriegsbeginn im September 1939 setzte die Zentralstelle ihre Tätigkeit zunächst weiter fort, allerdings war es zusehends schwieriger, Staaten zu finden, die bereit waren, die zu Vertreibenden aufzunehmen.
Im Herbst 1941 wurde die Politik der Vertreibung bzw. erzwungenen Auswanderung vor diesem Hintergrund aufgegeben. Das neue Ziel der NS-Machthaber war die physische Ermordung all jener Menschen im besetzten Europa, die nach den Nürnberger Gesetzen von 1935 als Jüdinnen und Juden galten. Die Umsetzung dieses Genozids auf dem Gebiet des heutigen Österreichs, das heißt die Deportation der verbliebenen jüdischen Bevölkerung in die Ghettos und Todeslager Osteuropas, wurde ebenfalls von der Zentralstelle dirigiert. Eichmanns Mitarbeiterstab wurde im Zuge dieser Aktionen zur führenden bürokratischen Expertengruppe des NS-Völkermordprogramms. Als von den etwa 200.000 jüdischen Einwohner:innen Wiens nur noch wenige hundert in der Stadt zurückgeblieben waren, wurde die Zentralstelle im März 1943 geschlossen, ihre Aufgaben wurden der Gestapoleitstelle Wien übertragen. Einige vormalige Angehörige der Zentralstelle, so zum Beispiel Adolf Eichmann, Alois Brunner oder Franz Novak, führten in weiterer Folge europaweit, etwa in Ungarn, der Slowakei, Frankreich und Griechenland ihre Verbrechen fort und organisierten die Deportationen der dortigen jüdischen Bevölkerung. Andere einstige Mitarbeiter der Zentralstelle stiegen innerhalb der SS auf und bekleideten führende Positionen im nationalsozialistischen KZ-System.
Obwohl die in der Wiener Zentralstelle tätigen SS- und Polizeiangehörigen die direkte Verantwortung für den Tod hunderttausender Menschen trugen, wurden nur wenige nach dem Krieg zur Rechenschaft gezogen. Von einer systematischen juristischen Aufarbeitung der Verbrechen konnte nicht die Rede sein. Lediglich zehn von mehr als 60 Personen wurden von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt, Anton Brunner und Siegfried Seidl, wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Viele kamen mit milden Haftstrafen davon. Weiteren Angehörigen der Zentralstelle, so auch Eichmann selbst, wurde im Ausland der Prozess gemacht. Einem der Haupttäter, Alois Brunner, gelang es erfolgreich, sich durch Flucht nach Syrien dauerhaft der Strafverfolgung zu entziehen. Er starb mutmaßlich Anfang der 2000er Jahre in Damaskus.
Im Rahmen eines geladenen Wettbewerbes beauftragte die Arbeiterkammer die Historikerin Sophie Lillie und den Künstler Arye Wachsmuth mit der Gestaltung eines Erinnerungsortes am Standort der einstigen Zentralstelle. Das IHSF unterstützte die dafür notwenigen, aufwändigen Recherchen, erarbeitet eine begleitende Publikation mit dem aktuellen Forschungsstand bereitet die Inhalte der Ausstellung und der Rechercheergebnisse online auf.